DER Cannabis?

Dazu schrieb Dr. Franjo Grotenhermen, Vorstand und Sprecher der Arbeitsgemeinschaft Cannabis als Medizin Anfang 2012 im Hanfjournal:

Nun zu einer völlig unideologischen Frage: Ist Cannabis in der deutschen Sprache männlich, weiblich oder sächlich?
In der französischen Sprache ist Cannabis männlich (le cannabis) genauso wie der Hanf (le chanvre). Auch in vielen
anderen Sprachen ist Cannabis männlich: „der Cannabis“. In einem Artikel in der Deutschen Medizinischen Wochenschrift aus dem Jahr 1890 über die Verwendung von Cannabis bei Magendarmerkrankungen heißt es allerdings: „Die Cannabis ist von constanter Wirkung zur Beseitigung der Schmerzempfindungen und zur Wiederherstellung des Appetits, unter welchen Verhältnissen auch die Schmerzen und die Appetitlosigkeit auftreten mögen. (…) Auf die örtlich entfernteren Erscheinungen, wie der Schwindel, die Migräne, die Schlaflosigkeit, das Herzklopfen und selbst die Dyspnoe [Atemnot] scheint die Cannabis vorteilhaft einzuwirken; es gelingt oft sogar, diese peinlichen Zufälle zum Verschwinden zu bringen. (…) Kurz die Cannabis ist das wirkliche Sedativum des Magens ohne irgend eine der Unzuträglichkeiten der Narcotica, wie des Opiums und des Chlorals, der Absorbentien, wie des Wismuths, der allgemeinen Sedativa, wie des Bromkaliums, der schmerzvertreibenden Mittel, wie des Antipyrins, die sämtlich unterschiedslos schädliche Wirkungen auf den Verdauungscanal ausüben.“ Offensichtlich galt Cannabis zu dieser Zeit als weiblich: „die Cannabis“.

Heute wird im deutschen die sächliche Form verwendet. Sowohl in offiziellen Schreiben der Bundesopiumstelle als auch in Zeitungen aus der Cannabisszene heißt es „das Cannabis“.
Ich habe allerdings gelernt, dass das, was alle über Cannabis oder Cannabinoide sagen, nicht unbedingt korrekt sein muss. Vor etwa fünf Jahren habe ich daher die Stelle konsultiert, die in Deutschland für die Grammatik zuständig ist, den Duden. Nach dem Duden ist Cannabis männlich, sowie der Hanf. Ich habe eine Woche später noch einmal die Internetseite des Dudens besucht. Vielleicht hatte ich mich ja getäuscht. Nein, Cannabis war immer noch männlich. Ich habe etwa zwei Jahre benötigt, um mich umzugewöhnen und beim Schreiben der IACM-Informationen nicht gelegentlich spontan in die gewohnte sächliche Form zurückzufallen.

Ich musste feststellen, dass es nicht so einfach ist, eingefahrene Vorstellungen über Cannabis zu überwinden, auch wenn es sich „nur“ um eine grammatikalische Frage handelte. Das hat mich nachsichtiger gegenüber Personen gemacht, die Probleme haben, lieb gewonnene Auffassungen über den Cannabis in einem neuen Licht zu sehen. Das braucht oft viel Zeit, leider.

Ich danke Steffen Geyer, der mich auf diesen Text aufmerksam gemacht hat!

3 Gedanken zu “DER Cannabis?

  1. Interessant! DER Cannabis. Ist ja auch eigentlich logisch, wenn man von „Hanf“ herleitet…

    Noch interessanter finde ich aber den Auszug aus dem medizinischen Fachartikel aus dem späten 19. Jahrhundert. Dort wird praktisch alles schon gesagt, was man heute im 21. Jahrhundert)- wissenschaftlich erklärbar – wiederentdeckt hat!

    Danke für diesen Beitrag!

  2. Die botanische Bezeichnung Cannabis Sativa weist durch die Endung allerdings auf eine Weiblichkeit hin, männlich heißt es Sativus und sachlich Sativum.
    Doch ich denke bei einer zweihäusigen Pflanze (männliche und weibliche Pflanzen) kann man es halten wie ein Dachdecker. Der Hanf, die Hanfpflanze.

    Das die Opiumstelle unseren pfanzlichen Verbündeten versachlicht, schafft, meiner Meinung nach, Distanz und lässt sie nur als Gegenstand gelten, und nicht als lebendiges Wesen, welches die Menschen schon sehr lange begleitet und unterstützt, wobei der Name Sativa (kultiviert/gesät,(von Menschenhand!)) darauf hinweist, das diese Pflanze ein Erbe unserer Vorfahren ist.
    Ich denke diese Versachlichung erleichtert den dort verantwortlichen Menschen das Verbrechen, diese Pflanze den rechtmäßigen Erben vorzuenthalten, und den Zugang und Umgang zu erschweren bis gänzlich unmöglich zu machen.

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